Elektroschrott: Odyssee nach Afrika

Was passiert eigentlich mit unserem Elektroschrott, zum Beispiel einem ausrangierten Fernseher? Er steht beispielhaft für den zivilisatorischen Müll unserer Zeit – und für das Thema “Müll: Das Geschäft mit dem Dreck“, mit dem wir uns in der kommenden makro-Sendung beschäftigen. Ausschlachten, kleinhächseln, verbrennen? Lohnt sich das Recycling der Innereien unserer Elektrogeräte?

Der Fernseher landet am Ende in Afrika – meist auf einem gigantischen Schrottplatz, ausgeschlachtet und zerlegt von mittellosen Schluckern, die barfuß und in Lumpen über einen verseuchten Schrottplatz stapfen und giftige Dämpfe atmen. Es sind verstörende Bilder. Und sie nähren die Frage: Warum liegt der Friedhof für unsere Fernseher igendwo in Afrika und nicht bei uns um die Ecke? Warum bezahlt jemand Geld, um Schrott um die halbe Welt zu karren?


Es ist eine Frage, die das “Follow the Money”-Team für die Wochenzeitung Die Zeit kürzlich in einer lesenswerten Reportage zu beantworten suchte. Mittels Experiment. Ein ausangierter Röhrenfernseher, funktionsunfähig, aber äußerlich in Ordnung wir mit einem GPS-Peilsender ausgestattet und auf die Reise geschickt.

Die Reise beginnt in Hamburg…

…und sie wird eine Odyssee. Ein Entrümpler wird kontaktiert. Er holt den alten Fernseher in der Wohnung ab. Die Abholung ist kostenlos. Ein erstes Zeichen dafür, dass ein kaputter Fernseher irgendwie zu Geld zu machen ist. Als nächstes führt die GPS-Spur zu einem Schrotthändler in Hamburg. Wie sich herausstellt, zahlt dieser für einen alten Fernseher 2-3 Euro.

Der Schrotthändler verkauft den Fernseher weiter, wie sich später herausstellt an einen afrikanischen Import-Export-Unternehmer. Die alte Glotze lagert jetzt in einem Container auf einem ehemaligen Güterbahnhof in Hamburg. Das Gelände ist vermietet an die deutsche Tochtergesellschaft einer großen niederländischen Spedition. Die Recherche ergibt, dass der Fernseher für rund 5 Euro weiterverkauft wurde. Der Preis des Geräts hat sich also bereits verdoppelt.

Am Tag 18 meldet der GPS-Sender wieder Bewegung. Der Fernseher steckt jetzt in einem Reedereicontainer auf dem Gelände des Hamburger Hafens und wird auf ein Schiff der japanischen Reederei Mitsui O.S.K. Lines verladen, das unter liberianischer Flagge fährt. Ziel: Afrika. Die Miete eines Containers und seine Verschiffung nach Afrika kosten rund 2000 Euro. Runtergebrochen auf einen einzelnen Fernseher ergibt das etwa 2,20 Euro.

Zielhafen Accra

Am Tag 41 meldet sich der GPS-Sender von seinem Zielhafen. Er steht jetzt außerhalb der ghanaischen Hauptstadt Accra. Dort, so ergibt die Recherche von “Follow the Money”, landen jeden Monat rund 500 Container mit ausgangierten Elektogeräten. Vor Weihnachten sind es doppelt soviel.

Etliche Tage später meldet sich der Peilsender aus den Straßen von Accra. Ein Zwischenhändler kauft den präparierten Fernseher und stellt ihn zu etlichen anderen auf die Ladefläche seines Kleinlasters. Der Fernseher wechselt den Besitzer für 27 Euro. Und er wird repariert. Denn bald darauf wird er an den Besitzer eines kleinen Gemischtwarenladens im Städtchen Dambai verkauft, 350 Kilometer weit im Landesinnern.

Der Fernseher ist jetzt funktionsfähig. Der Ladenbesitzer hat ihn vom Zwischenhändler für 70 Euro gekauft. Und weiterverkauft an eine Familie aus der Gegend. Am Tag 77 kauft das “Follow the Money”-Team den Fernseher zurück. Für 100 Euro.

Es ist schon erstaunlich, dass ein alter Röhrenfernseher in einem armen Land wie Ghana für einen Preis über die Ladentheke geht, den im reichen Deutschland niemand je bezahlen würde. Für die Menschen in Afrika scheint es trotzdem der einzige (und billigste) Weg zu sein, an einen Fernseher zu kommen. Und der wird repariert, verkauft, verwendet und repariert, verkauft und verwendet bis wirklich nichts mehr damit anzufangen ist.

Zuallerletzt landet er dann zum Beispiel in Agbogbloshie, jenem Vorort von Accra, der Synonym ist für jenen berüchtigten Friedhof für Elektroschrott, dessen Bilder einem nicht aus dem Kopf gehen.

Dort ist aber nicht Schluss. Denn ein irreparabel kaputter Fernseher wird von den Elendsgestalten von Agbogbloshie für 0,75 Euro gekauft. Sie zerlegen ihn und entfernen alle Metallteile, die sich irgendwie zu Geld machen lassen. Diese verkaufen sie an einen Altmetallhändler. Ein Fernseher ist für etwa 1,25 Euro gut. Das Metall wandert in den Hafen und wird verschifft in jene Länder, die neue Fernseher bauen. Und auf dem Weg verdienen Hafenarbeiter, Schiffskapitäne, Lastwagenfahrer und Zwischenhändler.

Die makro-Sendung zum Thema Müll: Das Geschäft mit dem Dreck an diesem Freitag, wie immer um 21.00 Uhr auf 3sat. Und nachher in unserer Mediathek.

(von: http://blog.zdf.de/3sat.makro/2014/09/25/elektroschrott-odyssee-nach-afrika/)